Last-Second-Treffer ins Glück

Viele andere Mannschaften des Karlsruher Sportvereins hatten heuer ja schon so manches meist unerwartete Bravourstück vollbracht. Nehmen wir nur die erste Herrenmannschaft mit ihrer glänzenden Endplatzierung in der A1 (souveräner 3. Platz) oder die A- und C-Junioren mit ihren Meisterschaften und Aufstiegen in die Landesliga. Das wurde jetzt aber getoppt von der Zweiten, auch wenn es „nur“ um den B-Klassen-Aufstieg ging. Die Dramaturgie des Geschehens jedenfalls wird für alle live dabei Gewesenen ein unvergessliches Erlebnis bleiben, ob Sieger oder Verlierer. Die Vorzeichen waren klar, dem KSV genügte ein Unentschieden und Schielberg musste gewinnen. Und der SC führte auch seit der 25. Minute mit 1:0, das Tor zur B-Klasse stand noch bis in die fünfte Minute der berechtigten Nachspielzeit hinein weit offen. Bis die Waldstädter in allerletzter Sekunde den Vizemeister der C1 aus allen Träumen rissen. Bis dahin hatte es dem Team von Coach Christian Stumpf nicht gelingen wollen, trotz guter Chancen im zweiten Abschnitt den möglichen Ausgleich zu erzielen. Dass dann mit der überhaupt allerletzten Aktion der Relegationsrunde das Unfassbare doch noch eintrat, ist für alle Beteiligten schwer zu begreifen. Das Prädikat „Wahnsinn“ dürfte an diesem Abend vermutlich die meist verwendete Beschreibung des Erlebten gewesen sein. Die einen wissen nicht wohin mit ihrer ungezügelten Glückseligkeit, während nebenan die bittere Wahrheit nur Enttäuschte und Verzweifelte zurück lässt. Ob damit die Anstrengungen und Hoffnungen einer ganzen Saison völlig umsonst gewesen waren, hatte in diesem Augenblick noch keine Bedeutung. „Aufstehen, das ist jetzt das Wichtigste“ dieser ebenso tröstliche wie aufrüttelnde Appell eines Schielberger Sportkameraden dürfte aber nicht die falsche Reaktion gewesen sein.

Um es vorweg zu sagen: Auch die zwei anderen Relegationsteilnehmer hätten sich den letzten freien B-Klassenplatz erobern können. Alle hatten ihre Stärken und Schwächen, die sie jeweils auf unterschiedliche Spielphasen verteilten. In der Summe waren die Kräfteverhältnisse relativ gleichmäßig verteilt, was auch die knappen Ergebnisse zeigen. So drehte der KSV im Auftaktspiel gegen den FC West einen Rückstand zum knappen und umkämpften 2:1-Sieg. Die Westler verspielten dann gegen den SC Schielberg einen Zweitore-Vorsprung und verabschiedeten sich mit den 2:2 nicht zwingend notwendig aus dem Aufstiegsrennen. Und im entscheidenden Finale gegen die Nordsternler fehlten den Albtälern nur Sekunden zum großen Wurf. In der Relegation nicht besiegt, und dennoch nicht aufgestiegen. Das ist bitter, sollte aber Ansporn für einen neuen Anlauf sein.

Beim KSV herrscht dagegen eitel Sonnenschein. Schon die überragende Meisterschaftsrunde sorgte für hohe Zufriedenheit. Eher als Außenseiter in die Aufstiegsqualifikation gegangen, präsentierte man sich aber auch hier mit mannschaftlicher Geschlossenheit und bis zum Schluss nicht nachlassendem Willen, das Geschehen bestmöglich zu beeinflussen. Dass dies am Ende dann auch verdient mit (mindestens) einer Saison B-Klasse belohnt wurde, ist freilich auch vom Glück des Augenblicks abhängig. Und das hatte sich zum denkbar günstigsten Zeitpunkt auf die Seite der Jungs um Käpt´n Böttner begeben.

Vor stattlicher Zuschauerkulisse auf dem von den Gastgebern des FC West prächtig präparierten Rasen an der Telegrafenkaserne verzichteten beide Teams auf anfängliches Abtasten und vor allen der SC Schielberg zeigte sogleich auf, dass man zum Toreschießen hergekommen war. Alexander Kunz probierte es sofort mit einem Weitschuss (3.) und einem Freistoß (9.), die aber ziemlich harmlos ausfielen. Der Flankenball von Spielertrainer Andreas Traudt flog schon eher gefährlich am rechten KSV-Pfosten vorbei (15.), sein optimistischer Schuss aus 30 Metern war für Angelo Celona ebenfalls kein Problem (16.). Dann hatten auch einmal die Karlsruher eine Gelegenheit bei einem Konterangriff, als Viktor Wischnewski bei seiner Hereingabe allerdings keinen Abnehmer fand (20.). Schielbergs Konzept, den Aufbau des Gegners schon in dessen Abwehrverbund zu attackieren, brachte dann kurz darauf auch Zählbares ein. So kam nach dem allerdings unnötigen KSV-Ballverlust kurz vor dem Strafraum Mathias Wieland in Ballbesitz und zirkelte den Ball flach neben dem rechten Pfosten zur umjubelten Führung ins KSV-Netz (25.). Die Rot-Weißen setzten ihre Überlegenheit fort und hätten durch Sekander Yaqubi nachlegen können, der einen Drehschuss knapp vorbei setzte (27.). Kurz darauf lenkte der zuverlässige Dennis Mevers einen strammen SC-Schuss mit der Schulter eigentorverdächtig knapp über den eigenen Kasten (30.). Bei den Rintheim-Waldstädtern lief nicht viel zusammen, zumindest hatte man die Schielberger Angreifer zumeist gut unter Kontrolle. Die starke SC-Mittelfeldachse um den wendigen und kampfstarken Saibo Singateh ließen ihre Pendants kaum zur Entfaltung kommen, worunter auch der KSV-Kombinationsfluss litt. Trotzdem lag bei der einzigen echten KSV-Torchance im ersten Abschnitt kurzzeitig der Ausgleich in der Luft. Timo Gob zog nach einer der wenigen gelungenen Angriffsaktionen aus 18 Metern ab, SC-Goalie Timo Weber verhinderte mit einer Glanzparade aber den Einschuss (35.). Bis zum Pausenpfiff des gemeinsam mit seinen Assistenten umsichtig und souverän leitenden Kai Wiessner ereignete sich dann nichts Nennenswertes mehr und so wurden mit dem leistungsgerechten Zwischenstand die Seiten gewechselt.

Die ersten Minuten gestalteten sich für beide Teams zunächst schwerfällig und auch ein lascher Freistoß von Kunz (57.) brachte die Zuschauer nicht in Wallung. Zumindest war der KSV nun gleichwertig und biss sich immer besser ins Spiel hinein mit der Folge guter Einschussgelegenheiten. So zielte Daniel Walz nach einer Faustabwehr von Weber aussichtsreich über den Kasten (62.) und nach einer gelungenen Angriffsaktion verfehlte auch Christopher Haupt freistehend das Ziel (66.). Die Stumpf-Truppe bestimmte nun zunehmend das Geschehen, musste sich innerhalb von drei Minuten aber noch einmal einem vorentscheidenden zweiten Schielberger Treffer entgegen stemmen. Bei einem Eckball köpfte Arijuma Camara aufs Tor, Celona war aber gut postiert und wehrte ab (69.). Traudt köpfte druckvoller, aber dennoch am Tordreieck vorbei (70.) und einen Freistoßhammer musste Sven Gelke am ersten Pfosten wagemutig mit der Stirn klären, den Nachschuss setzte Kapitän Sebastian Fiedler über den KSV-Kasten (71.). Die nachlassenden Albtäler hatten nun zusehends Schwierigkeiten und mussten sich fast ausschließlich der Abwehrarbeit widmen. Die Truppe vom Nordstern vergab aber einige gute Gelegenheiten. So hätten die sich durchkombinierenden Walz und Haupt den finalen Pass besser spielen können (74.). Der KSV-Coach wechselte noch einmal offensiv ein und das Schielbergteam kam immer stärker unter Druck. Einem Kopfball von Bjarne Waßmuth konnte Weber das Eindringen ins Heiligtum verwehren (80.). Wischnewski brachte dann nicht den nötigen Druck hinter seinen Kopfball (87.) und gleich darauf verfehlte er per Direktabnahme einer Waßmuth-Flanke ebenfalls das SC-Tor (88.). Sekunden später starteten die KSV-er einen tollen Angriff, Waßmuth fand mit einem wuchtigen Kopfball aber ebenfalls nicht den Weg ins Gehäuse (89.). Obwohl die Karlsruher alles nach vorne warfen, wollte das erlösende Tor nicht fallen. Als die letzte Minute der fünfminütigen Nachspielzeit anbrach und die Trauth-Equipe mit allen Kräften ihren Kasten sauber hielt, glaubten nur noch das KSV-Team selbst und einige Daueroptimisten an die Wende. Und sie kam. Noch einmal gab es einen Freistoß für den KSV. Allerdings auf Höhe der Mittellinie weit weg vom gegnerischen Kasten. „Letzte Aktion, es gibt keinen Eckball mehr“, so die Ansage von Schiri Wiessner. Selbst für Spezialist Gelke also eine anspruchsvolle Herausforderung, doch er schaffte es, die Gefahrenzone knapp vor der Fünfmeterlinie anzupeilen. Der weite Freistoßball kam dort zwar mit wenig Schmackes an, was aber dem Goalie in der voll besetzten Strafraumzone ein sicheres Eingreifen erschwerte. Und so landete die Kugel im Getümmel und auf dem Umweg eines Schielberger Unterarms in der Nähe des rechten Pfostens. Waßmuth erfasste die Situation, drückte das Spielgerät zum 1:1 aus kurzer Entfernung geistesgegenwärtig über die Linie (90.+5) und begann einen langen Jubellauf. Mittendrin ertönt Sekunden später der Abpfiff. Ende und Aus und noch mehr unfassbare Begeisterung.

Zweifellos waren die Jungs vom Sportpark in der zweiten Halbzeit mindestens dieses eine Tor auch besser, so dass das Remis den Kräfteverhältnissen entspricht. Die Folgen sind bekannt. Am Ende steht der historische Aufstieg einer KSV-Zweiten in die B-Klasse. Gut gemacht Jungs. Und wenn´s nicht geklappt hätte, wäre es ebenso gut gewesen. Sieger oder Verlierer, Glück und Pech lagen so nahe wie selten beieinander. Diesmal ist es die Schielberger Entourage, die das schmerzlich erfahren musste (Hans-Dieter Brumm, Karlsruher SV).

Aufstellung: Celona – Zürn, Böttner, Mevers, Werner, Bähr, Walz, Gelke, Frankenhauser  Gob, Wischnewski

Auswechslungen: 28. Min. Krause für Wischnewski, 55. Haupt für Bähr, 57. Kohpeiß für Frankenhauser, 63. Waßmuth für Gob, 77. Wischnewski für Mevers, 86. Gob für Böttner

Schiedsrichter: Kai Wiessner

Assistenten: Fabian Zimmer, Sven Hadeler

Tore: 0:1 Wieland (25.), 1:1 Waßmuth (90.+5)

Zuschauer: 300